Die öffentliche Meinung scheint eindeutig: Verwahrlosung greift um sich! 10 bis 20 % der Kinder seien verwahrlost, melden die Medien. Ein alter Labeling-Begriff scheint wieder en vogue zu sein. Rudi Dutschke hatte noch eine Antwort auf den Vorwurf, er sei "verlaust": Die Herrschenden versuchten so Minderheiten an den Rand der Gesellschaft zu drücken, meinte er. In der Psychotherapie gibt es den Begriff des Menschen "auf niedrigem Strukturniveau". Er zeigt die Angst und die Hilflosigkeit, die Mitmenschen mit Problemen bei uns hervorrufen, wenn wir aufgefordert sind, Ihnen psychischen Beistand zu leisten. Psychotherapie für Verwahrloste gibt es nicht! Aber Wohlstandsverwahrloste schon. Die mittelstandsorientierte, bürgerlich verankerte Psychotherapie kann sich aus ethischen Gründen Verwahrlosungsproblemen nicht verschließen. Welche Antworten finden PsychotherapeutInnen und PsychiaterInnen auf verwahrloste Alte, verwahrloste psychisch Kranke und gesellschaftliche Strukturen, die zu verwahrlosen scheinen? Gilt die alte Effizienzformel der Psychotherapiewirkungsforschung: "Wer hat dem wird gegeben" mit der Ergänzung, "Wer nichts hat, bekommt nichts!"? Oder verdrängen wir nur unsere eigenen Verwahrlosungstendenzen und die Angst, unter verwahrlosenden Umweltbedingungen mit zunehmenden Alter selbst zu verwahrlosen? Vielleicht sollten wir helfen, ein Missverständnis zu klären: Verwahrlosung ist nicht selbstverschuldet und schicksalhaft, sondern könnte ein Indikator für psychische Überforderung, psychische Belastung und psychische Störung sein, der wir effektive Therapien in Psychotherapie und Psychiatrie entgegensetzen können!
Wir freuen uns über Ihre Beiträge! Dr. Jürgen Junglas, Gerhild von Müller, Reiner Schwarz, Dr. Karin Junglas, Ulrike Weinhold
Norbert Berg, Frederike Trautmann, Bonn: Frühe Intervention bei Traumaopfern Wilma Wirtz-Weinrich, Anke Voßhenrich, Bonn: Umgang mit Sexualität und "sexueller Verwahrlosung" in der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen (Workshop)
14:00 - 17:30 h Gerhard Lauth, Köln: Verantwortungsübernahme von Eltern über Jugendliche Ingo Franke, Bonn: Die "Kinderschutzgruppe" Petra Walger, Bonn: Ist das Konzept der Früherkennung bei juvenilen Psychosen Fürsorge?
Martina Ibsch, Susanne Ricken, Inga Abels, Königswinter: Ordnung - Unordnung - Vermüllung. Ausdruck der persönlichen Individualität? (Workshop) A. Schmitz-Petzchen, C. Liertz, A. Wagner, Bonn: Frühe Hilfen für Kinder psychisch kranker oder süchtiger Eltern Franz Söder, Bonn: Akzeptanz dissozialen Verhaltens in der Jugendkultur
24.10.08: Vorsitz Reiner Schwarz
09:00 - 12:30 h Reiner Schwarz, Köln: Psychodynamik der Verwahrlosung Christoph Schürmann, Bonn: Schüler verweigern den Schulbesuch! - Was tun? Rolf Tüschen, Bonn: Die Familie des Ödipus - ein gerontopsychiatrischer Problemfall
Armin Claus, Köln: Tiere im Kontakt mit verwahrlosten oder von Verwahrlosung bedrohten Jugendlichen Reiner Schwarz, Köln: Verwahrloste in Therapie und Beratung Karoline F. Spiske, Bonn: Verwahrlosung bei Suchterkrankten (Workshop)
14:00 - 17:30 h Udo Schmitz, Bonn: Adipositas - Eine moderne Form der Verwahrlosung? Tobias Wustmann, Halle/Saale: Verwahrlosung, Vermüllung und Horten Bertram von der Stein, Brigitte Klein, Köln: Hinter der Fassade der Normalität. Frühe Nazierziehung der Großeltern, elterliches Abwehrverhalten und Verwahrlosung und Dissozialiät bei den Enkeln
Marita Halfen, Bonn: Sozialarbeit mit von Verwahrlosung bedrohten alten Menschen Bertram von der Stein, Brigitte Klein, Köln: Verwahrlosungstendenzen hinter der Fassade kleinbürgerlicher Moral (Workshop) Rolf Tüschen, Bonn: Seelische Verwahrlosung - Triebschicksale im Alter
25.10.08: Vorsitz Gerhild von Müller
09:00 - 12:30 h Detlef Hover, Stuttgart: "Sexuelle Verwahrlosung" im Dritten Reich Jürgen Vogt, Köln: Zur Psychologie des Kochens und Essens Winfried Schmidt, Hövelhof: Kann im Strafvollzug der Verwahrlosung entgegen gewirkt werden? Hartwig Wennemar, Marienheide: Hospitalismus im Alter Ernstbernard Rosen, Bonn: "Ohne Liebe ist alles Nichts!" Winfried Schmidt, Hövelhof: Strafvollzug und Verwahrlosung (Workshop)
13:00 - 15:00 h Anne M. Lang, Bonn: Über die Konsequenzen von Interesse und Empathie, Ignorieren und Vernachlässigen Bernhard Wegener, Berlin: Psychiatrischer Verwahrlosungsbegriff und soziale Dis-/Inkrimination